Der Text

Noten zum Text

Der Ulmentanz

Ko man dosi mamulite, par muzigu dzivošanu
Was wirst Du mit geben, liebste Mutter, für's ewige Leben
Ko man dosi mamulite, par muzigu dzivošanu
Was wirst Du mit geben, liebste Mutter, für's ewige Leben
Izplaukst zelta abelite un ka rita migla skan
Der kleine goldene Apfelbaum steht in Blüte, und tönt weit wie der Morgennebel
Izplaukst zelta abelite un ka rita migla skan
Der kleine goldene Apfelbaum steht in Blüte, und tönt weit wie der Morgennebel
Ko tas dos tev mamulite, ka tavs delinš nenomirst
Was bedeutet es Dir, liebste Mutter, dass Dein kleiner Sohn nicht stirbt
Ko tas dos tev mamulite, ka tavs delinš nenomirst
Was bedeutet es Dir, liebste Mutter, dass Dein kleiner Sohn nicht stirbt
Atbildes nav
Da ist keine Antwort
Tikai veja notric ozolišu birzs
Nur der Eichenhain zittert im Wind
Veja notric ozolišu birze
der Eichenhain zittert im Wind
Tikai koki savikšas uz rudeni
Nur die Bäume legen ihr Herbstlaub an
Koki savikšas uz rudeni
die Bäume legen ihr Herbstlaub an
Atbildes nav
Da ist keine Antwort
Izškid visi mani joki, Visi joki gludeni
All mein Humor löst sich auf, alle Scherze fallen flach
Izškid visi mani joki, Visi joki gludeni
All mein Humor löst sich auf, alle Scherze fallen flach
Atbildes nav
Da ist keine Antwort
Tikai kajas drošak savu zemi min
Nur unsere Füße trampeln noch gewisser auf der Erde
Kajas drošak savu zemi min
unsere Füße trampeln noch gewisser auf der Erde
Tapec draugi ka man klajas
Deshalb, Freunde, wie ich mich fühle,
Itneviens lai neuzzin
lass es niemanden wissen.
Tapec draugi ka man klajas
Deshalb, Freunde, wie ich mich fühle,
Itneviens lai neuzzin
lass es niemanden wissen.


Anmerkungen zum Text

Zur Aussprache

"o" spricht man als "uoa" so wie das "oa" in "Koala-Bär"
"š" spricht man als "sch"
"v" spricht man als "u" wenn es am Ende eines Wortes steht
"c" spricht man als "ts"
"r" wird gerollt
"t" wird meist weich gesprochen, fast wie "d"
"n" spricht man als "nj" wie in "Tanja"
"k" spricht man als "tik" mir weichem "t"

Anmerkungen zum Verständnis

Lettisch ist eine Sprache, die erstmals von deutschen Missionaren verschriftlicht wurde, als sie im 18. Jahrhundert dort missionierten. Lettland war der letzte Bereich Nordwest-Europas, in dem sich ein heidnischer, erdverbundener Naturglaube, der das Land, die Jahreszeiten und die Naturkräfte ehrte, erhalten hatte. So kommt es, dass auch viele der Begriffe in diesem Lied eine Vielzahl von Bedeutungen und Zwischentönen haben. In der Stalinzeit lebte diese Tradition wieder auf, ermöglichte es doch, eine Sache zu sagen und zwischen den Zeilen eine andere anzudeuten.

Das Lied hat viele Wiederholungszeilen. Das liegt an der Tradition, eine Zeile zu singen und sie dann von der Zuhörerschaft wiederholen zu lassen. Das geht auf die Zeit zurück, bevor Lettisch zu einer Schriftsprache wurde, als alle Lieder mündlich weitergegeben wurden. So geschah es für Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende in diesem Teil der Welt. Zugleich lebt der Text von vielen doppeldeutigen Begriffen:

* "mamulite" - bedeutet "liebste Mutter", hat aber auch weitere Bedeutungen. Hier kann man es auch verstehen als Mutter Natur, Mutter Erde - also Gaia selbst.

* "muzigu dzivošanu" - bedeutet "ewiges Leben" oder "für immer Leben". Das kann man sowohl auf die Erde beziehen, als auch auf das Leben der Menschheit auf der Erde; zumal in diesem Text keine Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt erkennbar ist, was den Text noch kryptischer erscheinen lässt.

* "zelta abelite" - bedeutet "goldener kleiner Apfelbaum". Im Paradies galt der Apfelbaum als der Baum des Lebens. In vorchristlicher Zeit spielte auch in Lettland der heilige Baum des Lebens eine wichtige Rolle. Im Zusammenhang dieses Liedes mag das darauf deuten, dass der Lebensbaum auf eine Antwort für die Frage der Mutter Erde nach dem ewigen Leben weist.

* "migla skan" - ist ein seltsames Bild. Wörtlich bedeutet es "wie der Nebel tönt" oder wie er läutet, gleich einer Glocke, die in ein nebelverhangenes Tal hinein läutet. Etwa, dass die Essens des Lebensbaums verborgen ist im Klang des Morgennebels. "Frag nicht, für wen die Glocke schlägt" - der Nebel hat seinen eigenen Klang, wenn die Jahreszeiten zum Herbst wechseln und der Nebel die Erde verhüllt.

* "delinš" - bedeutet "kleiner Sohn". Der "kleine Sohn" von "Mutter Erde" in diesem Lied steht für die Menschheit selbst. Man könnte die gestellte Frage übertragen als: "Was bedeutet für die Erde, wenn die Menschheit fortbesteht."

* "Atbildes nav" - bedeutet wörtlich "es gibt keine Antwort-Bild"; im Zusammenhang des Liedes kann man es verstehen als "es gibt keine Antwort auf die Frage, die die Sängerin Mutter Erde stellt. Die Erde schweigt zu der Frage, ob die Menschheit fortbestehen wird. An Stelle einer Antwort zittern die Bäume im Wind (ihre Art, Besorgnis zu äußern). Es geht auf den Herbst zu, dass kann das Annähern an ein "Ende" bedeuten, ein Zuendekommen des Jahres in der Winterzeit. Das mag hier die Antwort sein, die Mutter Erde auf die Frage der Sängerin gibt.

* "Izškid" - bedeutet "lösen, auflösen" , nach dem lettischen Wörterbuch wie "Salz im Wasser"

* "joki" - bedeutet wörtlich "Scherz", im Zusammenhang dieses Textes eher "Sinn für Humor, Spaß, Freude". Etwa, dass die Lebensfreude der Person sich auflöst angesichts des Herbstbeginn und des nahenden Jahresende.

* "gludeni" - bedeutet "eben, flach" wie eine flache Straße oder Oberfläche. Wenn der Scherz "flach fällt", heißt das, dass seine Pointe nicht funktioniert. Wie ein Witz, über den niemand lacht, den niemand beantwortet.

* "Kajas drošak savu zemi min" - "unsere Füße trampeln noch gewisser auf der Erde", ein Anzeichen für das Fortbestehen der Menschheit, dass die Menschenkinder noch zahlreicher werden.

* "ka man klajas" - bedeutet "wie geht es Dir in deinem Leben" bezogen auf die Gesundheit ebenso wie das allgemeine Wohlbefinden. In diesem Lied mag es die Frage bedeuten, wie die Sängerin sich fühlt angesichts des rätselhaften Schweigens der Erde und der indirekten Antworten, die sie erhält. Das kann bedeuten, die rätselhaften, unklaren Antworten der Mutter Erde geben der Menschheit keine klare Aussage was es bedeutet, in der Herbst zu kommen und Bäume im Wind zittern zu erleben.

* "Itneviens lai neuzzin" - bedeutet niemand kann oder darf wissen, was die Erde und die Sängerin wirklich fühlen. Auch hier lassen sich Subjekt und Objekt nicht klar bestimmen; es bleibt offen, ob sich das auf die Erde, den kleinen Sohn oder die Sängerin selbst bezieht.